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Abstract:
Klimaschutzpfade und Residualemissionen
Die Erreichung des 1,5°C-Ziels hängt von der großskaligen Verfügbarkeit und Anwendung von CO 2-
Entnahmetechnologien bzw. -praktiken ab.
Auch in vielen 2°C-Szenarien spielt die CO2-Entnahme eine wichtige Rolle, insbesondere, um die Kosten
des Klimaschutzes zu reduzieren. Das 2°C-Ziel könnte zwar prinzipiell noch ohne größere CO2-Entnahmen
erreicht werden, jedoch nur zu sehr hohen Kosten bzw. unter sehr optimistischen Annahmen, etwa
bezüglich der Energienachfrage.
Eine weitere Verzögerung von ambitionierter Klimapolitik führt zu einer wachsenden Abhängigkeit von
CO2-Entnahmen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen – auch für das 2°C-Ziel. Dies lässt sich anhand der
Residualemissionen belegen.
In den meisten 1,5°C- und 2°C-Szenarien werden CO2-Entnahmetechnologien schon bis zum Jahr 2050
großskalig ausgebaut, wobei bis zu 20% der heutigen Emissionen durch BECCS und bis zu 25% durch
Wiederaufforstung und landwirtschaftliche Maßnahmen entnommen werden.
Es gibt eine große Bandbreite an möglichen CO 2-Entnahmepfaden, s owohl in 1,5 °C- als auch in 2°C -
Klimaschutzszenarien. Das bedeutet: Es ist nun ein gesellschaftlicher Diskurs notwendig, der Risiken und
Nutzen der verschiedenen Pfade abwägt und entscheidet – erstens wieviel CO2 der Atmosphäre entzogen
werden soll und zweitens auf welche Art und Weise dies durchgeführt werden soll.
In Deutschland stehen nur wenige Szenarien zu nötigen CO2-Entnahmemengen zur Verfügung. Unter der
Annahme sofortiger ambitionierter Klimapolitik liegt die Spannbreite bei 60 -130 MtCO 2Äq, um
Emissionsneutralität in 2050 zu erreichen, wobei der Großteil auf die Restemissionen der Industrie und
Landwirtschaft entfällt.
Technologien & Praktiken
Die momentan in der Diskussion stehenden Entnahmetechnologien und -praktiken sind folgende:
Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und Speicherung (BECCS), direkte Abscheidung aus der Luft mit
geologischer Speicherung (DACCS), beschleunigte Verwitterung, Aufforstung und Wiederaufforstung,
Anreicherung des Bodenkohlenstoffs sowie Ausbringen von Pflanzenkohle. Sie alle weisen auf globalem
Niveau relevante Potentiale auf – aber auch technologiespezifische Konflikte mit anderen
Nachhaltigkeitszielen, Ressourcenkonkurrenz, und Barrieren, was die Skalierung betrifft
(Innovationslücken, Systeminkompatibilitäten, etc.). Es kristallisiert sich keine Gewinner -Technologie
heraus, und das passende CDR-Portfolio wird vom Kontext abhängen.
Während die technischen CDR -Möglichkeiten am oberen Ende de s Kostenspektrums anzusiedeln sind,
sind viele der landbasierten Methoden bereits erprobt und könnten sofort in Angriff genommen werden
– beispielsweise die Anreicherung des Bodenkohlenstoffs durch vermindertes Pflügen und Anpflanzen
von Bodendeckern. Zudem ist die Implementierung einiger dieser Optionen nicht mit Zielkonflikten
verbunden, etwa durch erhöhten Landflächenbedarf , sondern sie weist auch potentiell positive
Nebeneffekte auf und kann andere Nachhaltigkeitsziele unterstützen. Hierbei sind jedoch den Problemen
der Sättigung und vor allem der Permanenz/Reversibilität Rechnung zu tragen.
Während es einen wachsenden Wissensstand zur Angebotsseite der CDR-Innovationskette gibt, sind die
nachfrageseitigen Aspekte der Innovationskette kaum erforscht. Es gilt daher ein besseres Verständnis
für Nischenmärkte, Demand Pull und Akzeptanz zu entwickeln. Zudem zeigen die Klimaschutzszenarien
eine derart rasche und hohe Skalierung auf, sodass völlig neue Innovationsmodelle für CDR-Technologien
erforderlich sind.Methoden zur CO2-Nutzung (CCU) erreichen i.A. keine dauerhafte Speicherung von CO2 und weisen
zudem vergleichsweise begrenzte Potentiale auf. Eine verstärkte CO2-Nutzung kann daher zunächst kaum
dazu beitragen, das Pariser Abkommen wieder in Reichweite zu bringen. Sie könnte aber durchaus ein
entscheidender Katalysator sein, um die Innovationslücke zu schließen und eine rasche technologische
Entwicklung für die dauerhafte Kohlenstoffabscheidung in Gang zu setzen.
Beispielhafte Schätzungen für die Entnahmepotentiale in Deutschland liegen für BECCS bei 65 -120
MtCO2 (limitierender Faktor ist das Biomassepotential), für DACCS bei 35-55 MtCO2 (limitierender Faktor
ist der Energiebedarf), für Aufforstung 7 MtCO2 (limitierender Faktor die Landfläche), für Pflanzenkohle
3-7 MtCO2 (limitierender Faktor ist das Biomassepotential) und für beschleunigte Verwitterung 30 MtCO2
(limitierender Faktor ist die Gesamtagrarfläche). Aufgrund von Flächenkonkurrenz liegt das
Gesamtpotential jedoch unter der Summe der einzelnen Potentiale.
Politikinstrumente und Governance
Grundsätzlich sollten Emissionen und Entnahmen gleich hoch bepreist werden. Dies gilt auch für die
dynamische Betrachtung des CO2-Preispfads, wobei bei netto-negativer Emissionsbilanz ein öffentlicher
Finanzierungsbedarf entsteht, der nicht mehr über die Einnahmen aus der CO 2-Bepreisung gedeckt
werden kann. Durch Marktversagen, Externalitäten und technologiespezifische Verzerrungen kann es aber
Fälle geben, in denen Preisdifferenzierung angezeigt ist.
Trotz der potenziellen Kostenvorteile einer global ausgerichteten Förderung von CO2-Entnahme kann ein
Fokus auf Deutschland bzw. die EU zunächst sinnvoll sein, da z.B. Lerneffekte ausgenutzt und negative
Umweltwirkungen besser kontrolliert werden können.
Zur Innovationsbeschleunigung dienen Zuschüsse und Fördermittel für F&E -Vorhaben (inklusive für
Verfahren zur Speicherung, zum Monitoring und zur Verifizierung), langfristig angekündigte CO 2-
Mindestpreise für CO2-Entnahme und ein regelmäßiges Review-Verfahren, in dem nach klar definierten
Kriterien neue Technologien als CO2-Entnahme-Technologie zugelassen und förderfähig werden.
Ein präzises Monitoring der entnommenen Emissionsmengen und eine Verifizierung der dauerhaft
gespeicherten Kohlenstoffmengen sind essentiell, um (a) den Klimaeffekt von CO2-Entnahmeverfahren
korrekt messen zu können und damit belastbare Aussagen zur Erreichung von Klimazielen tätigen zu
können und (b) die Vergütung zur CO2-Entnahme möglichst exakt an den entnommenen und dauerhaft
gespeicherten Emissionsmengen ausrichten zu können.
Zur Förderung und Ausweitung von CDR w erden zwei grundlegende Governance -Architekturen
identifiziert: (1) der Einsatz von Einzelmaßnahmen, die auf einzelne Entnahme-Technologien bzw.
-Aktivitäten zielen, sowie (2) ein preisbasierter Ansatz. Bei letzterem stellt ein Emissionspreis oder ein
Entnahme-Referenzpreis das zentrale Instrument dar, ergänzt um zusätzliche Regulierungen oder
Förderungen, die spezifische technologische, ökologische oder ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die
Hauptfrage ist dabei, ob es ein separates Mengenziel für die Entnahme geben sollte, was auch
unerwünschte Interaktionen mit Emissionsminderungsmaßnahmen vermeiden würde.
Einstiegsmöglichkeiten
Die als erstes zu klärende Frage ist die des Entnahmeziels und ob man es vom Vermeidungsziel trennt. In
zweiter Instanz ist die Art der Entnahme zu klären. Land-basierte Entnahmepraktiken könnten bereits bei
einer Verschärfung der 2030 -Minderungsziele mitgedacht werden. Ihre relativ niedrigeren Kosten und
geringeren politischen Herausforderungen (z.B. Akzeptanz) machen sie zu günstigen
Einstiegsmöglichkeiten – jedoch ist das Potential begrenzt, und die Reversibilität , Messung und
Verifizierung sind ernstzunehmende Herausforderungen. Daher muss eine umfassende Strategie auch
Techniken berücksichtigen, die u.a. die geologische Speicherung beinhalten (CCS). Die politischen Herausforderungen könnten kurz- bis mittelfristig durch einen Fokus auf Offshore -Speicherung,
Transparenz und partizipative Modelle adressiert werden